Der rasante Fortschritt in Medizin und Pflege führt nicht nur zur ständigen Verbesserung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Zugleich konfrontiert er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Patienten und deren Angehörige zunehmend mit ethischen Fragen: Was können wir tun? Was dürfen wir tun? Was müssen wir tun? Dürfen wir alles, was wir können? Welche Folgen sind zu bedenken? Dieselben Fragen stellen sich auch die Verantwortungsträger des Brüderkrankenhauses St. Josef und des St.-Marien-Hospitals angesichts knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen sowie des steigenden wirtschaftlichen Drucks auf die Krankenhäuser. Die Kluft zwischen dem professionell Machbaren, dem menschlich Vertretbaren und dem finanziell Leistbaren ist breiter geworden. Bei der Suche nach verantwortbaren Lösungen hat das christliche Menschenbild in unseren Einrichtungen einen hohen Stellenwert. Um sich diesen komplexen Themen und Fragen fachlich und kompetent zu stellen, beauftragten die Direktorien der Brüderkrankenhäuser in Paderborn und Marsberg Anfang 2007 eine gemeinsame Projektgruppe mit der Aufgabe, die Einführung von Ethikberatung sowie die Gründung eines Ethikkomitees inhaltlich und strukturell vorzubereiten. Im Oktober 2015 konstituierte sich das gemeinsame Klinische Ethikkomitee neu. Die Mitglieder werden von den Direktorien berufen.
Das Klinische Ethikkomitee versteht sich als ein Forum, in dem ethische Fragen des klinischen Alltags fachkompetenz begleitet werden. Mitglieder sind Mitarbeitende beider Krankenhäuser aus den Bereichen Medizin, Pflege, Krankenhausleitung, Seelsorge, Psychologie und Sozialdienst. Sie bilden eine interdisziplinäre Plattform, auf der anstehende oder bereits getroffene Entscheidungen in den Bereichen Medizin, Pflege, Organisation und Ökonomie ethisch reflektiert und aufgearbeitet werden. Das Ethikkomitee kann in allen ethisch relevanten Fragestellungen, die sich in den Häusern ergeben, von jedem Mitarbeiter, den Direktorien sowie von Patienten und Angehörigen angefragt werden.
Die ethische Fallbesprechung ist das Angebot eines fachkundig moderierten und strukturierten Gespräches über eine Behandlungs- oder Pflegesituation, zu der es unterschiedliche Einstellungen und Entscheidungskriterien gibt. An der Fallbesprechung nehmen Mitarbeitende teil, die für die Behandlung und Pflege des betroffenen Patienten verantwortlich sind (Arzt, Pflegekraft, ggf. Seelsorge, psychologischer Dienst, Sozialdienst oder Rechtsberatung). Unter der Leitung eines neutralen und dafür geschulten Moderators wird der konkrete Einzelfall aus verschiedenen Blickwinkeln beraten. Im Zentrum der ethischen Fallbesprechung stehen die Situation des Patienten und sein Wohl. Dabei gilt es, den (mutmaßlischen) Patientenwillen zu berücksichtigen. Nach eingehender, interdisziplinärer Beratung über eine verantwortungsvolle Behandlung und Versorgung des Patienten, die dessen persönliche wie krankheitsbedingte Gesamtsituation berücksichtigt, sprechen die Teilnehmer dem behandelnden Arzt, der weiterhin die letztverbindliche Entscheidungsverantwortung trägt, eine Empfehlung aus.
Den Antrag auf Durchführung einer ethischen Fallbesprechung kann grundsätzlich jede Person stellen, die hinsichtlich der Behandlung oder Pflege eines Patienten einen Wertekonflikt empfindet. Das können Ärzte, Pflegende, Psychologen, Seelsorger, Sozialer Dienst, begleitende Therapeuten oder Auzubildende sein, aber auch die Patienten selbst sowie deren Angehörige und Betreuer.
Der Antrag ist mündlich oder schriftlich an einen der vom Klinischen Ethikkomitee bestimmten Koordinatoren zu richten. Ansprechbar sind dafür aber auch alle Mitglieder des Ethikkomitees, die den Antrag an den Koordinator vermittelnd weiterleiten. Der Koordinator bereitet die Fallbesprechung vor und lädt dazu ein.